Kommunikation ist, was ankommt, ihr Lollis!

Spürst du auch diese Verachtung?

Es beginnt mit zwei Headlines und der Frage, welche besser ist.

„Die neue S-Klasse mit innovativer Abstandsmessung und 500 PS.“

oder

„Da entwickeln wir Jahre lang ein System, das den Abstand zum Vordermann misst und dann ist da keiner.“

Beide Sätze sagen irgendwie das Gleiche, aber die Unterschiede sind gewaltig. Der erste Satz ist vielleicht halb so lang, aber nicht halb so clever und unterhaltsam wie der zweite. Den ersten lese ich so weg, der zweite belohnt mich dafür, ihn gelesen zu haben. Er umwirbt mich. Deshalb ist der erste Satz auch nur eine Information und gar keine Headline. Vielleicht hat ihn jemand aus einer technischen Info oder von ChatGPT abgeschrieben. Den zweiten Satz hat sich ein Mensch ausgedacht (leider nicht ich). Der erste ist ziemlich billig zu haben, in den zweiten muss man investieren, ohne das genaue Ergebnis zu kennen. Und Wirtschaftlichkeit ist für Unternehmen essenziell.

Aber um jeden Preis? Die Frage ist doch nicht nur, welche Headline weniger kostet. Die Frage muss doch sein, wie sie wirkt. Wir sprechen Menschen an und Menschen haben nichts für Werbung übrig. (Die Tatsache, dass ich das überhaupt hervorhebe, ist verrückt).

Wenn ich auf meinem Smartphone spiegel.de besuche, begrüßt mich jedes Mal eine neue fragwürdige Full-Screen-Popup-Ad, die zum Glück nach einigen Sekunden wieder verschwindet. Von manchen mache ich Bildschirmfotos. Letztens lautete eine Headline (und ich zitiere wortwörtlich inklusive Satzzeichen):

„Nachhaltigkeits… Nachhaltig wirtschaften lernen. Jetzt Kompaktschul…“

Lies es ruhig nochmal. Das stand da, so wahr dieser Artikel nicht von einer KI stammt.

Selbst, wenn die Wörter ausgeschrieben wären, glaube ich kaum, dass sie eine vernünftige Headline ergeben würden. Was bleibt bei einem Empfänger hängen, der in seinem Tagesablauf von sowas unterbrochen wird? Nach der ersten Verwirrung dachte ich: „Irgendwer gibt wirklich Geld dafür aus, um mir dieses Gestammel zu servieren.“ Das finde ich lustig, weil ich Schadenfreude empfinde. Dann finde ich es traurig, weil es peinlich und unwirtschaftlich ist. Oder war es nur deren Art zu sagen „Copywriter gesucht“?

Es gibt aber noch ein drittes Gefühl, das sich bei mir einstellt. Ich fühle mich verachtet. Ich spüre die Verachtung (oder das Unvermögen?) der Verantwortlichen für ihre Arbeit und ihr Publikum, weil sie glauben, mit dieser automatisierten Frechheit irgendwas zu erreichen. Überlegt jemand auch nur für eine Sekunde, wie sowas auf Menschen wirkt? Weiß überhaupt jemand davon oder haben Algorithmen schon die gesamte Branche übernommen? Kein Humor, keine interessante Botschaft, ja nicht mal die Mutter aller Kommunikation: Klarheit. Ich glaube, diese Verachtung ist der Hauptgrund dafür, warum Werbung den Ruf hat, den sie hat. Sie ist immer eine Störung und selten eine Freude. Sie will sich allzu oberflächlich mit mir verbrüdern und mir hintenrum an den Geldbeutel.

Nicht jedes Beispiel ist so schlimm wie die erwähnte Headline, aber warum gibt sich die überwiegende Mehrheit der Kommunikation keine Mühe Menschen zu umwerben? Nicht nur bei Texten, auch bei Bildern oder VideoAds gibt es häufig keine Konzeption. Es ist alles nur Information oder Behauptung, manchmal hübsch oder pseudocool verpackt. Aber ohne Idee, ohne Entschädigung dafür, dass ich mich mit dieser Unterbrechung meines Alltags auseinandersetzen musste. Stattdessen ist immer diese Kalkulation spürbar: „Wie wenig kann ich als Marke investieren (wie viel kann ich automatisieren), damit mich jemand mag oder auf mein Angebot eingeht?“ Das ist so, als würdest du mit Plastikblumen zum ersten Date gehen. Es hagelt Minuspunkte. In der Wirtschaft geht es um die Erfüllung von Zahlen, in der Kommunikation um die Erfüllung von Bedürfnissen.

Wir leben doch im Zeitalter der Messung, wo die Werbewirkung jedes Cents überprüft wird. Warum klammern wir dabei die Wirkung von Langeweile oder Peinlichkeiten aus?

Der KI-Boom wird das Ganze nicht besser machen. Noch mehr Durchschnitt wird als „gut genug“ durchgewunken werden. Noch mehr Belangloses wird das Internet verstopfen und von Menschen ignoriert werden.

Kommunikation ist eben das, was ankommt. Und das WIE hat enormen Einfluss darauf. Ben Kay hat es auf seinem Blog treffend formuliert: “… the value people will take from our work will only be equal to the value we put into it.” So wie Marken sich geben, werden sie wahrgenommen.

Wer sich für die Theorie interessiert, lese Alchemy von Rory Sutherland. Wer in die Praxis einsteigen möchte, schreibe mir eine Nachricht.