Sind Headlines mit Verneinungen schlecht? Nein

Über das Gute an negativen Headlines

„Ich mag diese Headline nicht, die ist negativ.“ Solche Kommentare erstaunen mich immer wieder. Deshalb hier meine Gegenrede im Namen gelungener Markenkommunikation.

Was steckt hinter einem Kommentar wie „Negative Headlines sind falsch“? Es ist die Vorstellung, dass Wörter wie „nein“, „nicht“ oder „nie“ ins Unterbewusstsein des Lesers eindringen und dort heimlich eine Barriere des Misstrauens aufbauen, um Botschaften und Argumente fernzuhalten. Vor allem in der Werbung.

Funktioniert Kommunikation wirklich so? Hat ein einziges Wort die magischen Fähigkeiten, alle anderen zu überstimmen? Die tatsächliche Bedeutung eines Satzes vollständig zu ersetzen und den Leser nach Obi-Wan-Art zu hypnotisieren? Mir fallen nur zwei Beispiele ein, bei denen ein Wort ähnliche Macht entfaltet und beide kommen aus der Welt der Fiktion: „Voldemort“ in Harry Potter und „Jehova“ in Das Leben des Brian.

Nehmen wir ein Beispiel von Nike: „There is no finish line.“ Ich weiß nicht, wie es Euch geht, aber ich erkenne da eine unwiderlegbare Wahrheit, eine starke Einstellung, eine aufregende Geschichte, mit anderen Worten: Ich kann mich damit identifizieren. Niemand würde den Satz jemals so interpretieren: „Da ist ein Nein drin, also sage ich Nein zu den Schuhen von Nike.“ Und wie sollte man auch die Nichtexistenz von Ziellinien (oder irgendetwas anderem) positiv ausdrücken?

Unsere Welt ist voller Verneinungen, und das zu Recht. Wenn ein Produkt sagt „Kein Zucker“ oder „Kein Alkohol“, begrüße ich das als nützliche Information, die mir bei meiner Entscheidung hilft. Wenn ein Schild sagt „Betreten verboten, Hochspannung!“, bin ich dankbar für den Sicherheitshinweis. Wenn im Abspann steht „Es wurden keine Tiere verletzt“, find ich das gut. „Don’t drink and drive“ ist eine verantwortungsvolle Botschaft. Und so weiter. Verneinungen sind nicht per se negativ. Was zählt, ist die Botschaft und ihr Kontext. Kommunikation ist doch, was der Leser mitnimmt. Da gibt es keine magischen Kräfte, keine geheime Barriere, kein dies, kein das. Was mich zum letzten Absatz führt.

No heaven, no hell, no countries, nothing to kill or die for, no religion, not the only one, no possessions, no need for greed or hunger. Ihr wisst, woher diese Zeilen stammen. Stellt Euch Lennons “Imagine” ohne Verneinungen vor. Über die erste Zeile kommt ihr nicht hinaus. Der Song ist voller Verneinungen und doch trägt er eine der friedlichsten und hoffnungsvollsten Botschaften überhaupt. You may say he was a dreamer. Er wollte ja nur seine Vision verbreiten. Aber geht es in der Markenkommunikation nicht auch genau darum?